
Stellungnahme
Positionspapier zu den geplanten Änderungen der BioSt-NachV und Biokraft-NachV zur Verbesserung der Betrugsprävention
Berlin, 02.09.2025
1 Zusammenfassung
Die geplanten Änderungen der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) und der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) stellen einen bedeutenden legislativen Schritt dar, um die Richtlinie (EU) 2023/2413 (RED III) umzusetzen und die Mechanismen zur Betrugsprävention im deutschen Bioenergiesektor substanziell zu stärken. Zu den wesentlichen Fortschritten gehören die Reform des Vertrauensschutzes, verpflichtende DAkkS-Akkreditierung für Zertifizierungsstellen, ein erweiterter Katalog an Ordnungswidrigkeitentatbeständen sowie verstärkte direkte Eingriffsrechte für die BLE. Diese Maßnahmen sind darauf ausgelegt, die Robustheit und Integrität des Nachhaltigkeitsprüfungssystems zu erhöhen.
Trotz dieser positiven Entwicklungen verbleiben kritische Schwachstellen, die die Wirksamkeit der neuen Bestimmungen beeinträchtigen könnten. Dazu zählen das Fehlen präskriptiver Vorgaben für Auditintensitäten, die inhärenten Grenzen von Massenbilanzsystemen, Mängel bei robusten Mechanismen zur Sperrung von Wiederholungstätern und klaren Auslösern für proaktive behördliche Kontrollen. Die Umsetzung dieser Vorschläge ist entscheidend, um einen wirklich betrugsresistenten und transparenten Bioenergiemarkt zu gewährleisten. Insbesondere die Reform des Vertrauensschutzes stellt hierbei den wichtigsten Schritt da.
2 Einleitung: Zweck der BioSt-NachV und Biokraft-NachV
Die Novelle der BioSt-NachV (Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung) und der Biokraft-NachV (Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung) verfolgt primär zwei miteinander verknüpfte Ziele: die direkte, 1:1-Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 (RED III) und die Stärkung der Betrugsprävention innerhalb des nationalen Nachhaltigkeitsrahmens für Bioenergie. Um die Klimaziele zu erreichen, sind Biokraftstoffe, fortschrittliche Kraftstoffe und Erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs) entscheidend. Der deutsche Biokraftstoffmarkt wird jedoch von einer europaweiten Betrugskrise heimgesucht, die seine Glaubwürdigkeit und die Klimavorteile untergräbt.
Damit steht die Novellierung der Verordnungen im Einklang mit den im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen zur Verbesserung der Betrugsprävention im Rahmen der national rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Diese Herausforderungen soll durch die Einführung neuer Maßnahmen und die Stärkung bestehender Regelungen bewältigt werden, wobei ein besonderer Fokus auf den Rollen und Verantwortlichkeiten der Zertifizierungsstellen und den Befugnissen der zuständigen Behörde liegt.
3 Maßnahmenpaket zur Betrugsprävention im Rahmen der RED III
3.1 Reform des Vertrauensschutzes
Gesetzentwurf:
- § 17 BioSt-NachV entfällt. Der Paragraf hatte Käufern über den im § 48 Absatz 2 VwVfG vorgesehenen Vertrauensschutz hinaus Sicherheit beim Kauf von (auch gefälschten) Zertifikaten gewährt.
Forderung:
Die Reform des Vertrauensschutzes ist der zentrale Hebel gegen Betrug im Referentenentwurf. Die bisherige Regelung sorgte dafür, dass der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) bei der Sanktionierung von Betrug häufig die Hände gebunden waren. Das zeigte sich insbesondere im Mai 2025, als die BLE temporär gesperrte Nachhaltigkeitsnachweise wieder freigab - obwohl die BLE selbst davon ausging, dass die Nachweise von einer nichtexistenten Anlage stammten und gefälscht waren. Den Schaden davon tragen der heimische Markt und alle sauber arbeitenden Anbieter von erneuerbaren Energien im Verkehr. Betrug hingegen kann kaum wirkungsvoll sanktioniert werden. Daher ist die stärkere Ermächtigung der BLE durch die Vertrauensschutz-Reform imperativ, um gefälschte Nachweise in Zukunft aus dem Markt nehmen zu können. Das schützt die Klimaziele und stärkt die THG-Quote, damit diese wieder ein wirkungsvolles Instrument für die Verkehrswende werden kann.
Umsetzung:
Beibehaltung der im Ref. Entwurf notierten Streichung des § 17 BioSt-NachV.
3.2 Erweiterung des Katalogs an Ordnungswidrigkeitentatbeständen
Gesetzentwurf:
In § 51 Biokraft-NachV werden weitere Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 62 Absatz 2 Nummer 3b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aufgeführt.
Forderung:
Wer Zertifikate oder Nachhaltigkeitsnachweise ausstellt, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt wurden, soll in Zukunft den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen. Die verstärkte Haftung von Zertifizierern ist ein sinnvoller Schritt. Insbesondere im Zusammenhang mit UER-Projekten gab es in der Vergangenheit einige Zertifizierungsstellen, die unter Verdacht standen, am Betrug mitgewirkt zu haben. Die Strafe ist aber für eine Abschreckungswirkung nicht ausreichend. Das anfallende Bußgeld bei einer Ordnungswidrigkeit steht in keinem Verhältnis zu den immensen Gewinnen aus Betrug. Betrug mit Nachhaltigkeitszertifikaten ist Betrug am Klimaschutz und sollte als solcher als Umweltstraftat eingestuft werden. Diese können mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen bis zu fünfzehn Jahren geahndet werden. Ähnlich dem Steuerstrafrecht, wo hohe Hinterziehungsbeträge zu Haftstrafen führen, würde das ein starkes Signal für Marktintegrität senden. Die Kriminalisierung erhöht die Abschreckung durch höhere Strafen und persönliche Haftung, schützt die Marktintegrität und stärkt das Vertrauen in den Klimaschutz.
Umsetzung:
Ergänzung § 69 BImSchG-E und neuer § 70 BImSchG-E:
„Wer vorsätzlich unrichtige oder gefälschte Nachhaltigkeitsnachweise erstellt oder in Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.“
Änderung in § 51 Biokraft-NachV:
Straftatbestand
Eine Straftat im Sinne des § § 69 BImSchG-E und § 70 BImSchG-E begeht, wer vorsätzlich oder fahrlässig…
3.3 Akkreditierung für Zertifizierungsstellen
Gesetzentwurf:
In § 28 Absatz 1 Nummer 1 wird festgelegt, dass Zertifizierungsstellen in Zukunft, um anerkannt zu werden, eine gültige Akkreditierungsurkunde vorlegen müssen.
Forderung:
Bisher mussten Zertifizierungsstellen, um zugelassen zu werden, bestimmte Standards, wie z.B. EN/ISO/IEC 17065 erfüllen. Der Entwurf sieht nun einen weiteren Schritt vor, eine Akkreditierung durch eine entsprechende Stelle, in diesem Fall die DAkkS. Diese Prüfung durch einen Dritten ist begrüßenswert, sie stellt die Einhaltung von Standards sicher und erschwert Betrügern den Zugang zum Markt. Allerdings darf diese einmalige Eintrittsbarriere nicht dafür sorgen, dass nach erfolgter Akkreditierung die notwendigen hohen Standards nicht mehr eingehalten werden. Daher sollte die Akkreditierung regelmäßig in einem Turnus von zwei Jahren erneuert werden. Das gewährleistet hohe Qualität und Integrität bei Zertifizierungsstellen.
Umsetzung:
Ergänzung in § 28 Absatz 1 Nummer 1:
„Diese Akkreditierungsurkunde ist alle zwei Jahre zu erneuern.“
3.4 Erweiterung des behördlichen Handlungsspielraums
Gesetzentwurf:
Mit dem Entwurf erhält die zuständige Behörde, die BLE, einige neue Befugnisse. So werden unter § 34 BioSt-NachV, § 40 BioSt-NachV und § 47 BioSt-NachV die Möglichkeiten für die BLE, Kontrollen und weitere Maßnahmen durchzuführen, erweitert.
Forderung:
Die BLE ist als zuständige Behörde der wichtigste exekutive Arm der Regierung bei der Verfolgung und Bekämpfung von Betrug. Oft wird diese Arbeit durch unzureichende Befugnisse und Möglichkeiten behindert. Hier gibt es einige positive Änderungen im Entwurf: So soll die BLE in Zukunft nicht nur kürzere Abstände für Kontrollen bestimmen können, sondern diese auch selbst durchführen können. Sog. „Begleit-Audits“ sind ebenfalls möglich. Des Weiteren erhält die Behörde mehrere Kontrollmöglichkeiten gegenüber Zertifizierungsstellen. So kann die BLE Zertifizierungsstellen zur Probenentnahme verpflichten, Überprüfungsverfahren einleiten und nach Auskünften oder Unterlagen verlangen, die ohne Aufschub gewährt werden müssen. Auch zur Aussetzung oder zum Entzug von Zertifikaten kann das BLE die Zertifizierungsstellen verpflichten. Diese Änderungen machen die Behörde wehrhafter und geben ihr mehr Rüstzeug an die Hand, um gegen Betrug vorzugehen. Es gibt aber auch hier Verbesserungsbedarf: Denn es reicht nicht nur, die Möglichkeiten zu schaffen – sie müssen auch genutzt werden. Dazu muss insbesondere bei den behördlich durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen nachgeschärft werden.
Umsetzung:
Änderung in § 34 BioSt-NachV:
„Die zuständige Behörde soll bei begründetem Verdacht, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Zertifikates nach § 21 nicht mehr erfüllt sind, entweder bestimmen, dass Kontrollen in kürzeren Abständen durchgeführt werden müssen oder diese auch selbst durchführen.“
3.5 Stichprobenartige Kontrollen
Gesetzentwurf:
-
In § 11 BioSt-NachV Abs. 2 und § 12 BioSt-NachV Abs. 6 des Entwurfs wird festgelegt, dass Zertifizierungsstellen die Angaben der den letzten Schnittstellen vorgelagerten Schnittstellen und Lieferanten in repräsentativen Stichproben kontrollieren sollen.
- § 36 BioSt-NachV bestimmt, dass jährlich eine repräsentative Anzahl an Entstehungsbetriebe von Abfällen und Reststoffen kontrolliert werden sollen.
Forderung:
Eine funktionierende Nachverfolgbarkeit innerhalb die Lieferkette ist für Betrugsprävention unerlässlich. Daher ist es zu begrüßen, dass mit Kontrollen auch dort angesetzt wird. Insbesondere die Kontrollen an Entstehungsbetrieben von Abfällen und Reststoffen sind hier wichtig. Diese Anfallstellen hatte die Initiative Klimabetrug Stoppen bereits im letzten Positionspapier als besonders betrugsanfällige Schwachstelle identifiziert. Es gibt jedoch mit der Ausgestaltung im Entwurf in beiden Fällen ein Problem: Die Formulierung von „repräsentativen Stichproben“ ist zu unkonkret. Die Gefahr besteht, dass Zertifizierungsstellen selbst definieren, wie viele Kontrollen notwendig sind. Das könnte dazu führen, dass diese wichtigen Werkzeuge bei der Betrugsbekämpfung ungenutzt bleiben. Hier wäre stattdessen die Beibehaltung der „Quadratwurzel-Formel“, bzw. eine klare Zahl besser.
Umsetzung:
Änderung bei § 36 BioSt-NachV:
„Für jede Schnittstelle nach Satz 1 ist mindestens die Anzahl der benannten Betriebe jährlich zu kontrollieren, die der Quadratwurzel der Summe aller von dieser Schnittstelle benannten Betriebe entspricht.“
Änderung bei § 11 BioSt-NachV Abs. 2:
„Die Richtigkeit der Angaben nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b und c wird mittels repräsentativer Stichproben von mindestens fünf Prozent der in Absatz 1 definierten letzten Schnittstellen von den anerkannten Zertifizierungsstellen kontrolliert.“
Änderung bei § 12 Abs. 6:
„Die Richtigkeit der Angaben nach Absatz 5 wird von den anerkannten Zertifizierungsstellen mittels repräsentativer Stichproben von mindestens fünf Prozent der vorgelagerten Schnittstellen und Lieferanten kontrolliert.“
3.6 Implementierung Union Date Base (UDB)
Gesetzentwurf:
- In § 11-14 BioSt-NachV Abs. 2 wird die Dokumentationspflicht über die Union Data Base eingeführt.
Forderung:
Die Union Data Base (UDB), auf die im Entwurf mehrfach verwiesen wird, kann in der Zukunft eine zentrale Rolle bei der Dokumentation einnehmen. Daher ist die Implementierung der UDB als Nachhaltigkeitsnachweis-System grundsätzlich zu begrüßen. Es gibt für die angeschlagene Branche aber keine Zeit, um auf den Einsatz der UDB zu warten
Umsetzung:
-
3.7 Fehlen von verpflichtenden Sperr-/Beobachtungslisten
Gesetzentwurf:
-
Forderung:
Der Katalog der Ordnungswidrigkeiten wurde zwar erweitert, es fehlt jedoch eine verpflichtende Blacklist oder Watchlist für auffällige Schnittstellen, Lieferanten oder Auditoren von Zertifizierungsstellen. Das bedeutet, dass Akteure, die des Betrugs überführt wurden oder wiederholt gegen Vorschriften verstoßen haben, potenziell weiterhin im System agieren oder unter einem anderen Namen wieder auftreten könnten, ohne dass ein systematischer Ausschluss erfolgt. Die Möglichkeit der Behörde, Informationen über Betrugsverdacht öffentlich zu machen, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, ersetzt aber keine formelle Sperrliste, die eine systemweite Warnung und einen Ausschluss ermöglicht.
Umsetzung:
Neuer § 55 BioSt-NachV:
- Einer Zertifizierungsstelle, die nach § 54 ordnungswidrig handelt, soll mit sofortiger Wirkung die Anerkennung nach § 32 widerrufen werden
- Zertifikate von einer Schnittstelle oder einem Lieferanten sind nicht gültig, wenn die Schnittstelle oder der Lieferant in der Vergangenheit nach § 54 ordnungswidrig gehandelt hat
4 Fazit und Ausblick
Der Referentenentwurf zur Novellierung der BioSt-NachV und Biokraft-NachV ist ein guter Schritt, um den deutschen THG-Quotenmarkt nachhaltig vor Betrug zu schützen. Insbesondere die Reform des Vertrauensschutzes für gefälschte Zertifikate stellt einen wichtigen Hebel dar, um Betrug wirkungsvoll sanktionieren zu können. Weitere sinnvolle Änderungen sind zusätzliche und rigidere Kontrollen, unter anderem auch bei Anfallstellen. Auch die Stärkung der behördlichen Auskunfts- und Eingriffsrechte ist positiv, allerdings muss die BLE dann auch mit entsprechenden Kapazitäten ausgestattet werden.
Mit der Reform des Vertrauensschutzes wird es für die BLE zukünftig leichter, gefälschte Quotennachweise abzuerkennen. Damit dieser Schritt gegangen werden kann, muss aber Betrug zunächst erkannt werden. Ein starker Fokus sollte also darauf liegen, dass Kontrollmechanismen lückenlos funktionieren. Dafür wird mit der Novelle der Verordnung bereits der Grundstein gelegt. In Zukunft wird es darauf ankommen, ob diese Mechanismen so umgesetzt werden, dass sie ihre Wirkung entfalten. Außerdem muss die RED III mit der BImSchG und BImSchV noch in diesem Jahr in deutsches Recht umgesetzt werden. Sonst sind BioSt-NachV und Biokraft-NachV nur Stückwerk.
Pressekontakt
Initiative Klimabetrug Stoppen
E-Mail: kontakt@carbonleaks.de
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.carbonleaks.de
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